Meine Geschichte mit der 8,5 x 63 (R)

1999, somit vor annähernd 15 Jahren, als ich mit der gewerblichen Herstellung von Munition anfing, wurde ich auf das Kaliber 8,5 x 63 durch einen ehemaligen Freund aufmerksam gemacht. Diese Patrone war zum damaligen Zeitpunkt eigentlich vollkommen unbekannt, d. h. obwohl schon seit Anfang der 90er Jahre in der C.I.P. aufgenommen und gelistet, gab es de facto nur wenige Möglichkeiten an Waffen oder gar Munition zu gelangen. Keiner der großen Hersteller hat für den Markt gefertigt. Kenntnisse zur Patrone hatten nur spezialisierte Wiederlader bzw. Freunde von exotischen Kalibern. Man könnte auch sagen, die jagende Öffentlichkeit hatte vielleicht theoretisch Kenntnis genommen, mehrheitlich aber noch nicht einmal das, geschweige denn eine Vorstellung vom potentiellen Leistungsspektrum der Patrone. Am Anfang erschien mir die 8,5 x 63 R als die interessantere Version. Mein Ziel war diese als Kleinserie herzustellen. Eine relativ große Hürde stellte die Beschaffung der Hülsen dar. Die Hülsen für die Randversion wurden von mir aus der 7 x 65 R geformt. Allerdings wurde schnell klar, dass Waffenhersteller nur Interesse zeigten, wenn Hülsenmaterial mit korrekter Patronenbezeichnung am Markt zu bekommen war. Somit zeichnete sich der nächste notwendige Schritt zwangsläufig ab: Produktion/Beschaffung von Hülsen mit korrekter Kaliberbezeichnung. Damals war die einzige Firma am Markt, die solche Kleinserien in nutzbarer Qualität herstellen konnte bzw. für eine Hülsenproduktion in Frage kam, die Firma Horneber aus Fürth bei Nürnberg. Die ersten Werkzeuge für dieses Kaliber wurden von Jürgen Triebel für meine Manufaktur produziert. Ich ließ die notwendigen Patronenlehren im Kaliber 8,5 x 63 und Rand zur Hülsenherstellung von der Firma Triebel bauen. Kurz darauf waren die Hülsen verfügbar und es folgten die ersten „Fabrikpatronen“.

 

Das faszinierende an dieser Patrone ist u. a., dass Geschossgewichte von 10 - 20 Gramm eingesetzt werden können! Damit werden für viele jagdliche Belange die meisten Lücken beim Geschossgewicht in diesem Kaliberbereich abgedeckt. Das Spektrum an .338 Geschossen war und ist auch heute noch im Vergleich zum .30er-Kaliber gewaltig groß, vielleicht sogar noch umfangreicher. Die Tatsache der hohen Flexibilität bei dieser Patrone führte bei einigen deutschen Waffenherstellern zu einer interessanten Entwicklung: Die Patrone wurde auf dieselbe Stufe wie zum Beispiel eine 8 x 57 gehoben; geadelt zu einem Standardkaliber.

 

Eine Kleinstserie von Hülsen ist häufig für einen Hülsenhersteller nur ein Zuckerl, manchmal auch nur die Möglichkeit Leerlaufzeiten kostengünstig zu kompensieren. Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass die Herstellung von Kleinstserien bei Hülsen auch für mich realisierbar ist. Tatsächlich hat mich die Not zur Tugend geleitet. Um Wartezeiten und Engpässe zu umgehen, habe ich mich mit der Umformung von Hülsen beschäftigt.
Heute, nach dieser langen Zeit, kann ich behaupten, dass ich durch diese Tatsache sehr viel gelernt habe und noch lernen werde. Aus dem „Lernen werde“ hören Sie, dass mich die Umformung noch heute beschäftigt - ganz einfach aus der Tatsache heraus, wenn die Hülsen mal wieder nicht zu bekommen sind. Häufig haben Kunden wenig Verständnis für Lieferprobleme, und noch weniger, wenn es um so scheinbar simple Dinge wie Hülsen geht. Dass die Hülse ein wesentlicher Bestandteil ist, der für Präzision sorgt, ist für viele Jäger weder klar noch einfach (be)greifbar.
Nach einiger Zeit zeigte sich, dass die 8,5 x 63 sich als „Lieblingspatrone“ unter den Kunden einstellte. Dies resultierte aus der Tatsache, dass Repetierwaffen und Wechselläufe für moderne modulare Waffensysteme zwischenzeitig günstig zu bekommen waren. Somit wurde die randlose Version von den Stückzahlen zur Nr. 1 bei diesem Kaliber. Damit rückte die Umformung von randlosen Hülsen in den Mittelpunkt meiner Wiederladetätigkeit. Dies wurde eine wesentlich anspruchsvollere Tätigkeit als am Anfang gedacht. Nur mit Hilfe einer Hilfsschulter kommt man bei diesen Waffensystemen ans Ziel.

 

Das von mir favorisierte 98er-Mauser-System war konstruktiv in der Lage Patronen ohne Hilfsschulter zu verdauen. Probleme machten die modernen modularen Systeme. Dies lag an der Zuführung der Patrone. Ich entschloss mich daher die Umformung aus der 30-06 Springfield zu realisieren. Die Tatsache, dass die Hülse (L3) nach dem Umformen etwas kurz war, habe ich in Kauf genommen. Meiner Erfahrung nach, kann man den Nachteil nur als rechnerischen Nachteil betrachten; reale Auswirkungen bei Ballistik oder waffentechnischer Natur konnte ich nicht beobachten. Allerdings wurde diese Umformung wesentlich aufwendiger als gedacht - insbesondere in Bezug auf die gewünschte Präzision. Hinzu kamen die doch sehr empfindlichen neuen Waffensysteme, welche auf Maßungenauigkeiten unvorhersehbar negativ reagierten. Ein wesentlicher Vorteil für mich war in dieser Zeit, dass Mitbewerber ihre Fertigungsprobleme mit der Munition nicht erkannten bzw. nicht in der Lage waren diese auf Sicht zu beheben. Ein großer Hersteller modulare Waffen beauftragte mich daher die notwendige Munition mit „umgeformten Hülsen“ zu fertigen. Der Hersteller war mit der erbringbaren Präzision aus seinen Waffen hochzufrieden. Und vor allem mit der durchgängigen Maßhaltigkeit meiner gefertigten Munitionslose. Für mich eine gewinnbringende Kooperation in vielerlei Hinsicht. Gerade in Bezug auf das Umformen konnte ich eine Menge Erfahrungen gewinnen, die zu besseren Ergebnissen führte. Der maßgebliche Mitstreiter an meiner Seite bei dieser Herausforderung war Jürgen Triebel. Lange Tests begleitet von diversen Versuchen waren notwendig um unsere Ansprüche in der zukünftigen Generation von Werkzeugen/Matrizen zur Umformung zu realisieren. Im Jahr 2012 machte ich Bekanntschaft mit Herrn Dipl.-Ing. Ulrich Zirngibl, Inhaber der Süddeutschen Hülsenmanufaktur. Damit begann sich der Kreis langsam aber stetig zu schließen. Nach langen Versuchen und weiteren Verfeinerungen im Herstellungsprozess wurde die Maßhaltigkeit endgültig optimiert. Heute kann ich behaupten, dass das Hülsenmaterial der Firma SHM wirklich keine Wünsche offen lässt. Verfügbarkeit, Maßhaltigkeit und potentielle Verwendbarkeit sind auf einem sehr hohen Niveau.

 

Seit November 2015 lasse ich in der Süddeutschen Hülsenmanufaktur eigene Hülsen für die Kaliber 8,5 x 63 und 8,5 x 63 R.

 

Mit der 8,5 x 63 ist über die Jahre eine große Leidenschaft entstanden. Angefangen beim Fertigungsprozess über die Vielseitigkeit in der jagdlichen Verwendung, weiter befeuert über die hohe Präzision bei reichhaltigster Auswahl von unterschiedlicher Geschosskonstruktionen, das angenehme Schussverhalten und nicht zuletzt die Ausgewogenheit der Patrone an sich faszinieren mich bis zum heutigen Tage. Was will man mehr?